Wohnheim Bruno-Marek-Allee, Nordbahnhof, Leopoldstadt, Wien

Wohnheim Bruno-Marek-Allee, Nordbahnhof, Leopoldstadt, Wien
Niedrigenergiehaus
Planungsbeginn 2016, Fertigstellung 2019

Städtebau und Architektur

Das Wohnheim ist Teil eines Gebäudeensembles entlang der Bruno-Marek-Allee. Die Kubatur des Hauses folgt dem städtebaulichen Leitbild, das eine Gliederung des Baukörpers in einen höheren und (im Anschluss an das Kirchenprojekt) einen niedrigeren Teil, der von der Straße etwas abrückt, vorsieht. Im Übergangsbereich vom höheren zum niedrigeren Baukörper ergibt sich eine Kante, die in Hinblick auf die Abtreppung in Richtung Kirchenbauplatz (wo die geschlossene Bauweise unterbrochen wird) mit Balkonen weich ausgebildet wird. Ein Pavillon-artiger leichter Baukörper auf dem Dach des 3. Stocks tritt räumlich sanft in Erscheinung und soll als Teil des Dachgartens des Wohnheimes verstanden werden (dunkel abgesetzt, teilweise verglast mit einer leichten Brüstung – im Gegensatz zu den massiven Balkonbrüstungen, die dem Gebäude einen plastischen Charakter verleihen). Die Sockelzone ist ebenfalls dunkel abgesetzt und je nach dahinter liegender Nutzung verglast. Die Zurücksetzung des Gebäudes von der nördlichen Grundgrenze um 2m gibt einerseits der Kirche mehr Raum und bietet den Wohneinheiten die Möglichkeit einer natürlichen Belichtung zur Grundgrenze. Diese wird durch eine Servitutsvereinbarung (Baufreihaltezone) mit der Kirchengemeinde gewährleistet.

Durch die Zurücksetzung des niedrigeren Baukörpers ergibt sich ein (durch einen durchgehenden, über Eck geführten Balkon) überdachter Arkadenbereich für die Zugänge zu allen Funktionsbereichen des Gebäudes (Wohnheim, Kindergarten und Reisebüro). Der über Eck geführte Balkon ermöglicht auch einen überdachten Zugang von der Straße zum Gemeinschaftsgarten des Wohnheims. Die Wohnungen werden durch ein Hauptstiegenhaus und einen innenliegenden (über die Stiegenhäuser natürlich belichteten) Gang erschlossen. Der Gang ist vom 1. bis 3. Stock aus brandschutztechnischen Gründen durch eine bedarfsfallgesteuerte Glastür (E30C) geteilt, die im alltäglichen Gebrauch geöffnet bleibt.

Ein wesentliches Gestaltungselement sind die durch ihre massiven Brüstungen plastisch in Erscheinung tretenden Balkone.  Diese liegen an der zur Straße orientierten ruhigen weißen Lochfassade übereinander. Der Übergang zum südlichen Bauplatz wird mit einer „Loggiafuge“ artikuliert. Im Übergangsbereich zum niedrigeren Baukörper weisen die Balkone unterschiedliche Größen auf und deuten mit ihren unterschiedlichen Auskragungen die durch die versetzten Balkone auf der Gartenseite belebte Ostfassade an. Die gartenseitige Versetzung der Balkone ergibt sich aus den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner und Bewohnerinnen und macht den Beteiligungsprozess der Vereinsmitglieder an der Planung sichtbar.

Soziale Nachhaltigkeit

Im Vordergrund steht die Verbindung der BewohnerInnen mit der rumänisch-orthodoxen Kirchengemeinde. Die Mitglieder des Wohnheimes setzen sich aus gut integrierten MigrantInnen zusammen, von denen einige mit ÖsterreicherInnen verheiratet sind, sowie aus deren Familiennachzug (auch ältere Menschen, die auf die Hilfe durch die Kirchengemeinde angewiesen sind).

Die Freiräume im Erdgeschoss und die Dachterrasse sind offen, gut einsehbar und barrierefrei erreichbar (vom Gemeinschaftsraum auf die Dachterrasse mittels einer Plattform). Sämtliche Wohnungen verfügen über einen privaten Freiraum (mind. 6m²), der barrierefrei erreichbar ist.

Die Fahrräder werden im Erdgeschoss (an der Bruno-Marek-Allee, überdacht) und im Keller (erreichbar über einen geeigneten Lift – 110/200cm) untergebracht. In jeder Wohnebene gibt es einen Kinderwagenraum. Jede Heimeinheit verfügt über ein Kellerabteil.

Der kompakte Baukörper wird ökonomisch durch einen innenliegenden (über die beiden Stiegenhäuser natürlich belichteten) Gang erschlossen.

Die Wohnungen werden individuell geplant.

Großzügige, nutzungsoffene Gemeinschaftsräume ermöglichen die Reduktion der individuellen Wohnfläche (Feiern in der Gemeinschaftsküche, Unterbringung von Gästen in Gästeeinheiten – eine wird von der Kirchengemeinde angemietet, eines steht den Vereinsmitgliedern zur Verfügung).

Die durch die Bauordnung und durch die Bebauungsbestimmungen definierte Stellplatzverpflichtung ergibt 2 PKW für das gesamte Haus. Die meisten Mitglieder verfügen über keinen PKW und nutzen öffentliche Verkehrsmittel oder fahren mit dem Fahrrad. Im Fahrradraum werden Lademöglichkeiten für E-Bikes vorgesehen. Car-Sharing Angebote sollen angenommen werden.

Ein vielfältiges Angebot an Gemeinschaftsräumen wird mit den Mitgliedern partizipativ entwickelt: kleiner Gemeinschaftsraum (2. Stock) für Musik- und Sprachunterricht, Tandem-Learning, Kinderbibel-Stunden; großer Gemeinschaftsraum (4. Stock mit Gemeinschaftsterrasse für City-Gardening) für Vereinssitzungen, Gemeinschaftsaktivitäten wie gemeinsames Kochen (Einkochen), private Feste; Fitnessraum im Keller; gemeinschaftlicher Garten.

Der Verein kümmert sich um die Organisation von Gemeinschaftsaktivitäten. Eine informelle Vernetzung soll eine gegenseitige Unterstützung (Betreuung der Kinder und der  älteren Mitglieder) ermöglichen. Der Verein ist nach außen mit der rumänisch-orthodoxen Kirchengemeinde und (im Sinne der Ökumene) mit der katholischen Kirche (von der St. Nikolaus-Stiftung betriebener Kindergarten) vernetzt. Eine ökumenische und ökonomische Mehrfachnutzung bietet der Bewegungsraum des Kindergartens. Er  ist außerhalb der Öffnungszeiten für das Wohnheim  (Vereinssitzungen) und für Kirchenaktivitäten (Konzil) nutzbar.

Die Wohntypologie entspricht der Zusammensetzung der Zielgruppe, die sich vor allem durch eine große generationelle Bandbreite (viele Kinder, viele ältere Personen) auszeichnet. Die Grundrisse der Wohneinheiten sind teilweise veränderbar. Ein interner Wohnungstausch (bei sich verändernden Bedürfnissen) ist vorgesehen. Die Wohnungen sind barrierefrei gestaltet (im Bedarfsfall sind lediglich die Einrichtungen zu adaptieren und müssen keine Wände verschoben werden).

Ökologie

Die extensiv begrünten Dachflächen begünstigen durch ihre konstruktionsbedingte Rück-haltewirkung eine geordnete Ableitung der Niederschlagswässer.

Die notwendige Regenwasserversickerung erfolgt im Bereich der Freifläche des Wohnheimes im nicht-unterkellerten Freiraum.

Die Versorgung des Hauses wird mittels Fernwärme erfolgen.

Die Gebäude werden im Niedrigenergiehaus-Standard errichtet, und besitzen einen hohen Anteil an speicherwirksamer Maße.

Es werden Holz-Alu-Fenster und -Türen mit Dreischeibenisolierverglasungen geplant.

Umwelt- und verbraucherfreundlich Bodenbeläge – Holzparkett

In den Wohneinheiten werden Einzelventilatoren mit Grund- und Bedarfslüftung zum Einsatz kommen

Im Sanitärbereich werden Wassersparmaßnahmen durch die Verwendung von Armaturen mit Durchflussmengenbegrenzung (ÖN EN 200 Kennzeichnung) und WC Spülkästen mit 2-Mengen Spültechnik erzielt.

Emissionsminimierung erfolgt durch Auswahl emissionsarmer Produkte und Vermeidung von Lösungsmitteln und Schwermetallen. Der Einsatz von Bioziden im Innenraum (außer Topfkonservierung bei Wandfarben) wird ausgeschlossen. Verwendung von FCKW, H-FCKW und H-FKW-freien Materialien und Bauchemikalienreduktion durch Produktauswahl und ausschreibungsrelevante Beratung ist Standard.

In den Allgemeinbereichen bzw. Aufzugskabinen werden Energiespar- und LED-Leuchten verwendet.

Freiraum

Der Freiraum auf drei Ebenen besteht aus einem Hof an der Seite der Kirche, einem Kindergarten Freiraum, und zwei Dachterrassen im 4. und 5. Obergeschoss.

Der Hof ist öffentlich über den Kirchplatz (Bauplatz Nord2b) zugänglich und kann von der Kirchengemeinde für spezielle Anlässe genutzt werden. Eine teilbare Holzbühne, bestehend aus einem fixen und einem mobilen Holzelement, fungiert als multifunktionale Plattform für Ereignisse diverser Art. Ansonsten wird der Platz von einer Bank entlang des Kindergartens gefasst. Die Gestaltung ist bewusst reduziert, da die Fläche gemeinsam mit dem Kirchenplatz multifunktional einsetzbar sein muss. In Abstimmung mit der Kirche wird derselbe Platten Belag wie am Platz verwendet.

Der dahinter liegende Kindergarten ist sowohl über den Hof als auch durch das Gebäude selbst zugänglich. Der Kindergarten ist unterteilt in Zonen welche den verschiedenen Altersgruppen der Kinder entsprechen. So befinden sich zum Beispiel direkt vor den Gruppenräumen zwei weitläufige WPC Terrassen. Direkt vor dem Eingang trennen Holzbänke einen Bereich von den Terrassen ab und schaffen einen Kommunikationsraum der mit beweglichen Stühlen und Bänken bestückt ist. Die weitere Fläche wird offen gehalten. Eine Rundlaufbahn, welche an den Haupteingang des Kindergartens anbindet, mündet in die multifunktionale Fläche. Darin eingebettet liegt eine Spielfläche mit Fallschutz, Spielgeräten, Nestschaukel und Rutsche mit Kletterturm auf der einen Seite für die größeren Kinder und Kleinklettergerät für die Kleinen auf der gegenüberliegenden Seite. Eine rotblühende Kastanie bietet Schatten und Spielmaterial. Letztlich bieten die Hochbeete und Spalierobstbäume des Kindergartens auch die Möglichkeiten für Urban Gardening und Nascherlebnisse.

Die Gemeinschaftsterrasse des 4.Obergeschosses dient als Freiraumerweiterung der Gemeinschaftsküche, da sie genügend Platz für Treffen kulinarischer Natur bietet. Mit einem großen Esstisch und zahlreichen Hochbeeten für City Gardening, können die Hausbewohner hier ihre grünen Daumen testen und zB spezielle Tomatensorten aus Rumänien hochziehen. Zusätzlich zum Essbereich in der Nähe des Eingangs, bietet die Terrasse unterschiedliche Rückzugsorte Sitz- und Liegenischen.

Die Erholungsterrasse im 5. Obergeschoss bietet einen idealen Ort zum Sonnenliegen und Faulenzen an. Hier befindet sich ein Holzdeck auf Sitzhöhe in dem ein Trog für einen Baum integriert ist. Die Form des Sitzelements ist kommunikationsfördernd da so angepasst, dass man am Rand in Kleingruppen sitzen und sich gut unterhalten kann.